Samstag, 29. Januar 2011

Helmut Schmidt und die weltumspannende Moral

92 Jahre und gibt noch immer keine Ruhe! Zum Glück für uns alle ist er noch so aktiv und will es auch jetzt immer noch wissen: Helmut Schmidt appelliert an ehemalige Amtskollegen in aller Welt, sich für die Allgemeine Erklärung der Menschenpflichten einzusetzen. Ein erster Versuch, dieses Projekt voranzubringen, scheiterte 1997.

Der "InterAction Council" ist ein Zusammenschluss hochrangiger Politiker aus aller Welt, der 1983 gegründet wurde, den man vielleicht auch "Think Tank für eine bessere Welt" nennen könnte. Dieser "Think Tank" legte damals, also 1997, einen Entwurf  mit 19 Artikeln vor, in dem vorgeschlagen wurde, wie Menschen sich verpflichten sollten, Leben zu achten und gewaltfrei zu handeln, wie sie unter allen Umständen Gutes fördern und Böses meiden könnten. Vor allem aber geht es in dem Entwurf um faires Wirtschaften, Schutz der Umwelt und Gerechtigkeit im Allgemeinen.
Der "InterAction Council" hat sich zum Ziel gesetzt, eine weltumspannende Moral und eine globale Kultur der Verantwortlichkeit zu erreichen. Die Menschen sollten also nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten haben und vor allem sollen "alle Menschen menschlich behandelt" werden.

Artikel 1: Jede Person, gleich welchen Geschlechts, welcher ethnischen Herkunft, welchen sozialen Status, welcher politischer Überzeugung, welcher Sprache, welchen Alters, welcher Nationalität oder Religion, hat die Pflicht, alle Menschen menschlich zu behandeln.

Artikel 2: Keine Person soll unmenschliches Verhalten, welcher Art auch immer, unterstützen, vielmehr haben alle Menschen die Pflicht, sich für die Würde und die Selbstachtung aller anderen Menschen einzustzen.

Artikel 3: Keine Person, keine Gruppe oder Organisation, kein Staat, keine Armee oder Polizei steht jenseits von Gut und Böse; sie alle unterstehen moralischen Maßstäben. Jeder Mensch hat die Pflicht, unter alle Umständen Gutes zu fördern und Böses zu meiden.

Artikel 4: Alle Menschen, begabt mit Vernunft und Gewissen, müssen im Geist der Solidarität Verantwortung übernehmen gegenüber jeden und allen, Familien und Gemeinschaften, Rassen, Nationen und Religionen: Was du nicht willst, das man dir tut, das füg auch keinem andern zu.

Artikel 5: Jede Person hat die Pflicht, Leben zu achten. Niemand hat das Recht, eine andere menschliche Person zu verletzen, zu foltern oder zu töten. Dies schließt das Recht auf gerechtfertigte Selbstverteidiung von Individuen und Gemeinschaften nicht aus.

Artikel 6: Streitigkeiten zwischen Staaten, Gruppen oder Individuen sollen ohne Gewalt ausgetragen werden. Keine Regierung darf Akte des Völkermords oder des Terrorismus tolerieren oder sich daran beteiligen, noch darf sie Frauen, Kinder oder irgendwelche anderen zivilen Personen als Mittel zur Kriegsführung missbrauchen. Jeder Bürger und öffentliche Verantwortungsträger hat die Pflicht, auf friedliche, gewaltfreie Weise zu handeln.

Artikel 7: Jede Person ist unendlich kostbar und muss unbedingt geschützt werden. Schutz verlangen auch die Tiere und die natrliche Umwelt. Alle Menschen haben die Pflicht, Luft, Wasser und Boden um der gegenwärtigen Bewohner und der zukünftigen Generationen willen zu schützen.

Artikel 8: Jede Person hat die Pflicht, sich integer, ehrlich und fair zu verhalten. Keine Person oder Gruppe soll irgendeine andere Person oder Gruppe ihres Besitzes berauben oder ihn willkürlich wegnehmen.

Artikel 9: Alle Menschen, denen die notwendigen Mittel gegeben sind, haben die Pflicht, ernsthafte Anstrengungen zu unternehmen, um Armut, Unterernährung, Unwissenheit und Ungleichheit zu überwinden. Sie sollen überall auf der Welt eine nachhaltige Entwicklung fördern, um für alle Menschen Würde, Freiheit, Sicherheit und Gerechtigkeit zu gewährleisten.

Artikel 10: Alle Menschen haben die Pflicht, ihre Fähigkeiten durch Fleiß und Anstrengung zu entwickeln, sie sollen gleichen Zugang zu Ausbildung und sinnvoller Arbeit haben. Jeder soll den Bedürftigen, Benachteiligten, Behinderten und den Opfern von Diskriminierung Unterstützung zukommen lassen.

Artikel 11: Alles Eigentum und aller Reichtum müssen in Übereinstimmung mit der Gerechtigkeit und zum Fortschritt der Menscheit verantwortungsvoll verwendet werden. Wirtschaftliche und politische Macht darf nicht als Mittel zur Herrschaft eingesetzt werden, sondern im Dienst wirtschaftlicher Gerechtigkeit und sozialer Ordnung.

Artikel 12: Jeder Mensch hat die Pflicht, wahrhaftig zu reden und zu handeln. Niemand, wie hoch oder mächtig auch immer, darf lügen. Das Recht auf Privatsphäre und auf persönliche oder berufliche Vertraulichkeit muss respektiert werden. Niemand ist verpflichtet, die volle Wahrheit jedem zu jeder Zeit zu sagen.

Artikel 13: Keine Politiker, Beamten, Wirtschaftsführer, Wissenschaftler, Schriftsteller oder Künstler sind von allgemeinen ethischen Maßstäben entbunden, noch sind es Ärzte, Juristen und andere Berufe, die Klienten gegenüber besondere Pflichten haben. Berufsspezifische oder andersartige Ethikkodizes sollen den Vorrang allgemeiner Maßstäbe wie etwa Wahrhaftigkeit und Fairness widerpiegeln.

Artikel 14: Die Freiheit der Medien, die Öffentlichkeit zu informieren und gesellschaftliche Einrichtungen wie Regierungsmaßnahmen zu kritisieren - was für eine gerechte Gesellschaft wesentlich ist -, muss mit Verantwortung und Umsicht gebraucht werden. Die Freiheit der Medien bringt eine besondere Verantwortung für genaue und wahrheitsgemäße Berichterstattung mit sich. Sensationsberichte, welche die Person oder die Würde erniedrigen, müssen stets vermieden werden.

Artikel 15: Während Religionsfreiheit garantiert sein muss, haben die Repräsentanten der Religionen eine besondere Pflicht, Äußerungen von Vorurteilen und diskriminierende Handlungen gegenüber Andersgläubigen zu vermeiden. Sie sollen Hass, Fanatismus oder Glaubenskriege weder anstiften noch legitimieren, vielmehr sollen sie Toleranz und gegenseitige Achtung unter allen Menschen fördern.

Artikel 16: Alle Männer und alle Frauen haben die Pflicht, einander Achtung und Verständnis in ihrer Partnerschaft zu zeigen. Niemand soll eine andere Person sexueller Ausbeutung oder Abhängigkeit unterwerfen. Vielmehr sollen Geschlechtspartner die Verantwortung für die Sorge um das Wohlergehen des anderen wahrnehmen.

Artikel 17: Die Ehe erfordert - bei allen kulturellen und religiösen Verschiedenheiten - Liebe, Treue und Vergebung udn sie soll zum Ziel haben, Sicherheit und gegenseitige Unterstützung zu garantieren.

Artikel 18: Vernünftige Familienplanung ist die Verantwortung eines jeden Paares. Die Beziehung zwischen Eltern und Kindern soll gegenseitige Liebe, Achtung, Wertschätzung und Sorge widerspiegeln. Weder Eltern noch andere Erwachsene sollen Kinder ausbeuten, missbrauchen oder misshandeln.

Artikel 19: Keine Bestimmung dieser Erklärung darf so ausgelegt werden, dass sich daraus für den Staat, eine Gruppe oder eine Person irgendein Recht ergibt, eine Tätigkeit auszuüben oder eine Handlung vorzunehmen, welche auf die Vernichtung der in dieser Erklärung und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 angeführten Pflichten, Rechte und Freiheiten abzielen.

(Quelle: Die Zeit 1997)


Dieses Ziel, so selbstverständlich und banal eigentlich, ist so wichtig und unabdingbar für eine Welt des Friedens und der Menschlichkeit, dass Helmut Schmidt, Ehrenvorsitzender des Rates dieses mit seinen Mitstreitern Richard von Weiszäcker, Nelson Mandela, Gro Brundtland, Valery Giscard d`Estaing, Jimmiy Carter, Franz Vranitzky und Malcom Frazer noch einmal auf die Tagesordnung bringt, um es durchzusetzen.

Schmidt erklärt den neuen Vorstoß, diese Idee in die Vollversammlung der Vereinten Nationen zu bringen, damit, dass die Welt sich sehr verändert habe und das Scheitern von 1997 auf Missverständniss der Menschenrechtler zurück zu führen sei. "Sie fürchteten, dass unsere Erlärung die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterminieren würde". Beabsichtigt aber sei eine Stärkung der Menschenrechte, schreibt Schmidt.

Wie im "DerWesten" zu lesen war, sei auch die Vereinigung deutscher Wissenschaftler (VDW) ein langjähriger Verfechter dieser Idee, die in "Anbetracht von immer mehr zunehmenden Weltproblemen wie die Bedrohungen durch Klimaveränderungen, Probleme im Weltfinanzsystem, Hunger, Armut Auseinanderklaffen von Arm und Reich, Wasser-, Energie und Ressourchenknappheit, Kriege, Terrorismus" auf eine bessere Abstimmung der Politiken der einzelnen Staaten in Form von "Weltverträgen" erfolgreich sein könnte.

(Erstveröffentlichung weltexpress.de)

Freitag, 28. Januar 2011

Demonstranten in Kairo versuchen Außenministerium zu stürmen

http://english.aljazeera.net/photo_galleries/africa/2011125192646189116.html#

Der Twitter-Service von Aljazeera meldet, dass Tausende von Demonstranten in Kairo das Außenministerium zu stürmen versuchen. Weiterhin wird gemeldet, dass zur Zeit 800 Verletzte registriert sind, die nationale Airline ihre Flüge einstellt und Delta Airlines ab dem 29.1. ebenfalls ihre Flüge nach Kairo gecanceled hat. Weiterhin heisst es, dass ein Konvoi amerikanischer Panzer duch Kairo rollt.

Donnerstag, 27. Januar 2011

Aufruhr in der arabischen Welt

„Nein zur Mandatserneuerung, Nein zur Erbnachfolge, die Stunde des Wandels ist gekommen“, rufen die Menschen in Sanaa. Nach Tunesien haben jetzt auch die Bürger in Ägypten und dem Jemen den Mut gefasst, auf die Straße zu gehen.

In beiden Ländern setzen die jeweiligen Oppositionsparteien auf Massendemonstrationen. In Ägypten wurde derweil eine Ausgangssperre sowie Demonstrationsverbot verhängt und die Polizei reagiert mit Gewalt und Festnahmen. Die ägyptische Führung scheint den Aufstand der Menschen jedoch eher als Sicherheitsproblem zu sehen und nicht als Anlass, die politische Struktur zu überdenken. So warnte sie vor neuen Demonstrationen und drohte damit, dass Teilnehmer sofort zur Rechenschaft gezogen würden, wie die amtliche Nachrichtenagentur Mena vermeldete.

Im Jemen zeigt sich Präsident Saleh bislang unbeeindruckt und arbeitet weiter an einer Verfassungsänderung, die ihm eine Präsidentschaft auf Lebenszeit sichern würde. In der „Zeit online“ heisst es, Saleh hätte in einer Fernsehansprache, die am Sonntagabend ausgestrahlt wurde, indes beteuert: „Wir sind eine Republik und ich bin gegen die Übertragung der Macht“. Ihm wird vorgeworfen, er beabsichtige, die Macht an seinen ältesten Sohn Ahmed übergeben zu wollen. Dieser ist Chef der Republikanischen Garde, einer Eliteeinheit der Armee.

Die arabischen Völker bewundern Tunesien, die ihren Präsidenten „gefeuert“ und außer Landes getrieben haben und nun gegen eine Übergangsregierung demonstrieren. Inzwischen wird Ben Ali sogar mit internationalem Haftbefehl gesucht, den die tunesische Justiz ausgestellt hat. Der Mut der Tunesier scheint eine Schleuse geöffnet zu haben für die Wut und den Zorn, der sich in der Bevölkerung einiger arabischer Staaten offenbar angestaut hat. Auch in Algerien hat es inzwischen Proteste gegeben und die Jordanier gehen inzwischen auch auf die Straße. Sie protestieren gegen steigende Preise der Grundnahrungsmittel sowie Öl und Benzin. Weiterhin fordern sie freie Wahlen, denn noch immer wird die jordanische Regierung vom König ernannt.

In Israel betrachtet man diese Entwicklung allerdings mit Sorge und fürchtet ein „politisches Erdbeben“ in dieser Region.

Montag, 24. Januar 2011

Lesetipp: “Sei gegrüßt, o Volk aus dem Land der Datteln!”


Während wir Europäer mit unserer Spendenbereitschaft für die verschiedensten afrikanischen Länder Mitleid und Hilfsbereitschaft signalisieren, die jedoch meist da versickert, wo sie nicht viel nützt, wäre es vielleicht auch einmal nützlich mehr darüber zu wissen, wieso Afrika eigentlich in dieser elenden Lage ist.

Meist wird der europäische Kolonialismus dafür verantwortlich gemacht, der den Kontinent ausgebeutet und im Chaos zurückgelassen hat. Doch nun hat der senegalesische Anthropologe Tidiane N`Diaye ein Buch geschrieben. Der Titel “Der verschleierte Völkermord” weist auf die Versklavung der Schwarzafrikaner durch muslimische Eroberer hin, die bereits im 7. Jahrhundert begann. Der Autor schätzt die Zahl der Toten des arabischen Sklavenhandels auf mindestens 17 Millionen Menschen.

Im Klappentext des bei Rowohlt erschienenen Buches steht: “Der verschleierte Völkermord” schildert die Versklavung der schwarzen Bewohner Afrikas durch die muslimischen Eroberer. Im Jahre 652 zwang der Emir Abdallah ben Said dem nubischen König Khalidurat einen Schutzgeld-Vertrag auf: Nubien sollte in Zukunft unter dem Schutz Allahs und seines Propheten Mohammed stehen, sofern er jedes Jahr 360 Sklaven beiderlei Geschlechts an den Imam der Muselmanen überstellte. Im Laufe der folgenden dreizehn Jahrhunderte drangen islamische Sklavenhändler immer tiefer in den Kontinent ein und verschleppten viele Millionen Schwarzen in die arabischen Länder. Der Autor beschreibt den unglaublichen Blutzoll, den dieser menschenverachtende Handel forderte. Auf jeden gefangenen Sklaven kamen durchschnittlich drei Menschen, die beim Niederbrennen der Dörfer oder in den darauf folgenden Hungersnöten umkamen. Unda uf den Todesmärschen starb in der Regel noch einmal mehr als die Hälfte aller Sklaven. Der Autor schätzt die Zahl der Toten, die auf das Konto des arabischen Sklavenhandels gingen, auf mindestens 17 Millionen. Es ist ein erschütterndes Buch über einen bisher kaum thematisierten Völkermord.
Tidiane N'Diaye ist Anthropologe und Wirtschaftswissenschaftler und ein ausgewiesener Experte auf dem Gebiet der Kulturen und der Geschichte Schwarzafrikas. Er hat mehrere Bücher über dieses Themenfeld geschrieben.
Im Vorwort von “Der verschleierte Völkermord” schreibt N`Diaye: “Der Horror in Darfur währt mittlerweile seit dem 7. Jahrhundert – bis hinein ins 21. Jahrhundert, mit dem Unterschied, dass es nun auch eine ethnische Säuberung gibt”.

foto: © Catherine Hélie © Editions Gallimard


Tidiane N`Diaye: Der verschleierte Völkermord

Die Geschichte des muslimischen Sklavenhandels in Afrika
Aus dem Französischen von Christine und Radouane Belakhdar

Rowohlt Verlag, Berlin 2010
256 Seiten, gebunden, Euro 19.95

Dienstag, 18. Januar 2011

Wirtschaftswachstum der Türkei doppelt so hoch als der weltweite Durchschnitt

Der Weltbank zufolge liegt die Wirtschaftswachstumsrate der Türkei 2010 mit 8,1 Prozent um das Doppelte über dem weltweiten Wachstum, das auf 3,9 Prozent geschätzt wird, meldete die Zeitung “Today`s Zaman”.

In der Januar-Ausgabe des Weltbank-Berichts “Global Economic Prospects” wird für die Türkei 2010 ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 8,1 Prozent erwartet, berichtet die Zeitung. Schätzungen zufolge liegt das Weltwirtschaftswachstum im Vergleich bei rund 3,9 Prozent und für die Länder der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) wird ein Wachstum von 2,7 Prozent vorhergesagt. Für die Eurozone liegt das geschätzte BIP-Wachstum bei 1,7 Prozent.

In dem Bericht der Weltbank werde auch die Wachstumsrate der Türkei für die Jahre 2011 und 2012 geschätzt, schreibt “Today`s Zaman”. Diese liege bei 4,1 bzw. 4,3 Prozent. Für die Eurozone liegen die Schätzungen bei 1,4 für 2011 und 2 Prozent für das nächste Jahr. Auf der Basis dieser Daten dürften die Wachstumszahlen der Türkei in diesem sowie im nächsten Jahr die Eurozone nochmals übertreffen. Im Weltbank-Bericht werde betont, so die Zeitung, dass die Erholung der Türkei lebhafter war und die stärkere Inlandsnachfrage widerspiegele, die durch den größeren Zufluss von ausländischem Kapital und eine lockere Geld- und Finanzpolitik gestützt wurde.

Die “Daily News” berichtete, die Hotelkette “Hilton” plane nach Angaben eines hochrangigen Unternehmensvertreters, ihre Investitionen in der Türkei mit neuen Hotels in der Provinz Konya und anderen Standorten zu forcieren. Laut “Daily News” soll Gary Steffen, Vice President von Double Tree by Hilton während eines Besuchs des Double Tree-Hotels in Istanbul gesagt haben, dass in 2011 fünf Hotels der Hilton-Kette “Double Tree” eröffnet werden sollen. “Das Double Tree by Hilton Istanbul-Moda ist das erste Hotel einer Marke von Hilton Worldwide, das auf der asiatischen Seite von Istanbul eröffnet wird. Deshalb ist diese Eröffnung neben unserem Netzwerk anderer Double Tree by Hilton-Hotels, die bereits eröffnet sind oder bald eröffnet werden, extrem wichtig für uns.” Hilton Worldwide ist seit 1955 in der Türkei vertreten.

Die Zeitung “Milliyet” berichtet, dass 2010 ein Autoabsatz in Rekordhöhe erzielt wurde. Aus den neu veröffentlichten Zahlen soll hervorgehen, dass die Produktionsleistung der türkischen Automobilindustrie um 26 Prozent gestiegen sei und somit seien von den türkischen Automobilherstellern 1 095 000 Kraftfahrzeuge ausgeliefert worden. Laut einer Statistik des Verbands der Automobilhersteller war Tofas, ein türkisch-italienisches Joint Venture, Spitzenreiter der Branche mit über 312 000 produzierten Fahrzeugen, gefolgt von Oyak Renault mit 307 083 und Ford Otosan mit 242 070 Fahrzeugen. Vom Gesamtproduktionsvolumen sollen 2010 754 000 der Fahrzeuge exportiert worden sein.

Dienstag, 11. Januar 2011

Porno-Film als Abschlussarbeit

Als Abschlussarbeit an der renommierten Bilgi Universität in Istanbul drehte der 24-jährige Deniz Özgün einen Pornofilm im Studio auf dem Campus. Warum es ausgerechnet ein Pornofilm sein musste? Er habe an die Grenzen der akademischen Freiheit gehen wollen, sagte er dem türkischen Magazin „Tempo“.

Der Stipendiat für Fotografie und Video-Kunst erhielt für die Abschlussarbeit die schlechteste Benotung seines Jahrgangs. Aber nicht etwa, weil der Film ein Pornofilm war, sondern weil es ein schlechter Pornofilm war. Das zumindest sagten die verantwortlichen Lehrkräfte, von denen drei entlassen wurden, nachdem in Erfahrung gebracht wurde, dass sie das Projekt ohne Wissen des Direktors unterstützten. Sie hätten das Thema sogar vor der Jury geheim gehalten, um die Grenzen der akademischen Freiheit an der Bilgi-Universität auszutesten.

Auf die Frage, was denn die schwerste Hürde für die Herstellung dieses Films gewesen sei, antwortete Deniz laut „Tempo“: „Sie werden es vielleicht nicht glauben, aber den männlichen Hauptdarsteller zu finden, war der härteste Part. Alles am Set war bereit, nur unser Mann fehlte uns noch. Darum mussten wir den Dreh auch um eine Woche verschieben. Als wir dann endlich jemanden gefunden hatten, mussten wir ihm schriftlich versichern, dass der Film niemals außerhalb der Universität gezeigt wird und vor allem nicht in den Handel gelangt“. Die Frage, ob seine Eltern den Film gesehen haben, beantwortete der Student, indem er erzählte, dass man den Film im Kreis der ganzen Familie angesehen hätte. Seine Familie sei ohnehin von seiner Studienfach-Wahl nicht begeistert gewesen, erzählte er. „Aber dann haben sie sich damit abgefunden und schauten sich den Film an, als das was er war: meine Abschlussarbeit!“

Erst nachdem die Universitätsleitung mit Hunderten von e-Mails empörter Eltern konfrontiert wurde, entließ sie die Lehrkräfte, die an der Abschlussarbeit beteiligt waren. Man wollte damit verhindern, dass sich der Skandal ausbreite.

Die private und Nonprofit-Universität, 1996 gegründet, ist bekannt für ihre politische Aufgewecktheit sowie für ihre junge Akademiker-Generation, die sich gezielt in gesellschaftspolitische Belange einmischt. Diese Spitzenhochschule gilt nicht nur in der Türkei als mutige, engagierte und zugleich wissenschaftlich hochrangige Alternative, wo unerschrocken gedacht werden darf, sondern auch als Enklave für viele deutsche Wissenschaftler und Studenten.

Montag, 10. Januar 2011

Der Traum von Europa – für die meisten Türken ist er verflogen

Nur noch 38 Prozent der türkischen Bevölkerung glauben, dass ihr Land EU-Mitglied wird. Die Türkei verfolgt inzwischen eigene Ziele und fühlt sich durch ihre Nahost-Orientierung inzwischen so stark, dass eine europäische Mitgliedschaft nicht mehr als besonders wichtig erachtet wird.

Den ersten Antrag stellte die Türkei bereits 1959, um der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) anzugehören und bereits vier Jahre später wurde das Assoziierungsabkommen unterzeichnet. Damals sagte der EWG-Kommissionspräsident Walter Hallstein (CDU): „Die Türkei gehört zu Europa“. Erst 45 Jahre später beschloss der Europäische Rat, die Beitrittsverhandlungen aufzunehmen. Dies war nicht nur ein Anlass, der mit Feuerwerk und Konfetti gefeiert wurde, sondern die Menschen auf der Straße begannen sich gegenseitig zu Europäern zu „erziehen“, indem sie sich bei der kleinsten Ordnungswidrigkeit gegenseitig als „nicht Europa tauglich“ kritisierten. Doch das haben sie schon längst aufgegeben. Nach sechs Jahren, in denen von 35 Verhandlungskapiteln gerade mal ein einziges abgeschlossen werden konnte, ist für die meisten Türken der Traum von Europa verflogen.

Auch wenn Außenminister Davutoglu immer wieder versichert, der EU-Beitritt habe Priorität, sieht sich die Regierung schon längst nach Alternativen um. Anfang Dezember 2010 unterzeichnete sie mit Syrien, Libanon und Jordanien ein Abkommen über politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit. Der erste Schritt zu einer „Levantinischen Union“ einschließlich einer Zoll- und Währungsunion sei damit getan, hieß es. Staatspräsident Abdullah Gül sagte in einem Interview mit dem Sender „Euronews“, dass die Türkei lange Zeit Probleme mit ihren Nachbarn gehabt habe, aber nun auf dem richtigen Weg sei, sich mit ihren Nachbarstaaten nicht nur zu vertragen, sondern auch mit ihnen zusammen zu arbeiten. Auf die Frage, was er über die Mitgliedschaft in der EU denke, antwortete Abdullah Gül: „Selbstverständlich arbeiten wir weiter auf eine Mitgliedschaft hin. Aber seit 2005 stocken die Beitrittsverhandlungen, weil immer wieder ein europäischer Staat ein Veto einlegt und wir wissen nicht, wie es weiter geht. Selbst wenn die Türkei alle Kriterien erfüllen würde, müssen wir immer damit rechnen, dass es wieder ein Veto oder ein Referendum gibt und inzwischen sind wir uns nicht mehr sicher, wie lange das türkische Volk sich das noch gefallen lässt. Vielleicht werden wir es dann so halten wie die Norweger, weil wir unsere Vision verloren haben.“

„Der Rat des Spitzen-Quartetts“

So soll sich die neue Allianz zwischen der Türkei, Jordanien, Libanon und Syrien nennen. Diese vier Staaten gründeten am 3. Dezember das „Levantinische Handels Forum“ in Istanbul oder auch das „Levantinische Quartett“ genannt. Auch wenn Abdullah Gül während des Interviews mit Euronews behauptete, die Türkei habe keinen „Plan B“ als Alternative zum Beitritt in die EU, so hinterlässt die Unterzeichnung von 75 Projekten im Umfang von 1000 Milliarden Euro des Levantinischen Quartetts einen anderen Eindruck. Der Sitz des Rats ist Istanbul und das Management wird aus jeweils einer Delegation der beteiligten Länder bestehen. Unter den geplanten Projekten befindet sich beispielsweise der Ausbau der Autobahn von Mersin nach Basra sowie eine Zugverbindung Mersin-Aleppo-Damascus-Amman-Aqaba. Weiterhin wird eine Schnellboot-Verbindung von Mersin nach Syrien und Mersin-Beirut eingerichtet. Insgesamt soll der Transitverkehr zwischen diesen Ländern erleichtert sowie eine Modernisierung und Integration der Telekommunikation vorgenommen werden. Sehr interessant klingt auch das Vorhaben der Gründung einer Levantinischen Bank. Es würde den Rahmen sprengen, hier alle geplanten Projekte zu nennen. In den Dokumenten des türkischen Rats für Außenhandel (DEIK) nimmt das Gebilde bereits deutliche Formen an: neben den vier Gründungsmitgliedern umfasst die neue Union auch Länder wie den Iran, Irak, Kuweit, Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate, den Jemen, Oman und Bahrain. Mögen diese Vorhaben gegebenenfalls Höhenflüge oder gar Großmachts-Phantasien vermuten lassen, Tatsache ist, dass die neue östliche Mittelmeer-Politik der Türkei stark wirtschaftlich orientiert ist. Ob sie auch islamisch motiviert ist, lässt sich nicht behaupten, höchstens unterstellen.

Sicher ist, dass die türkische Wirtschaft im ersten Halbjahr 2010 um elf Prozent wuchs, während die meisten europäischen Volkswirtschaften stagnieren. So ist die Türkei ständig auf der Suche nach neuen Märkten und diese Suche führt sie in den Nahen Osten, Mittelasien und Nordafrika. Während Kritiker der Regierung Erdogan dieser neuen östlichen Ausrichtung eher skeptisch gegenüber stehen, meinen EU-Diplomaten, dass diese nicht im Widerspruch zur europäischen Perspektive stehen müsse und die Türkei für Europa durch ihre engeren Beziehungen zur arabischen Welt noch mehr an Bedeutung gewinne.

So wie Ministerpräsident Erdogan es entwürdigend findet, dass die EU „uns seit fast 50 Jahren vor ihren Toren warten lässt“, sehen es auch viele türkische Bürger inzwischen. Vor allem jüngere Türken wollen diese Warterei und Demütigungen nicht länger hinnehmen und sind mit der Orientierung ihres Landes nach Osten recht zufrieden. Sie sind der Meinung, dass die Türkei die EU bald nicht mehr brauchen wird. „Aber umso mehr wird die EU uns brauchen“, sagen sie.

(Erstveröffentlichung in http://www.weltexpress.de/)

Mittwoch, 5. Januar 2011

Platzhirsch-Lektion

Eigentlich hatte ich mir gar nichts vorgenommen, was ich im neuen Jahr ändern wollte. Ich muss ohnehin oft meine Pläne von einer Minute auf die andere ändern, darum ist es mir schon zur zweiten Natur geworden, mit dem Plan A sofort auch einen Plan B zu entwerfen. Das lernt man, wenn man in einem Land wie der Türkei lebt und vor allem arbeitet.

Doch heute, am 5. Tag dieses neuen Jahres habe ich etwas dazu gelernt, das nichts mit der Türkei zu tun hat. Ich habe gelernt, dass es nicht genügt, einen Plan B zu haben, sondern dass ein Plan C durchaus angebracht sein kann. Beim morgendlichen Checken meiner emails nämlich kamen zuerst gute Nachrichten aus der deutschen Redaktion, weshalb ich gleich damit begann, Pläne zu machen. Kurz darauf kam eine mail, die ad hoc eben diese Pläne wieder zunichte machte und gleich darauf noch eine, in der die Rechtsabteilung einer großen deutschen Zeitung auf einen meiner Artikel Urheber-Recht anmeldet, weil sich Passagen mit denen eines Artikels ihres Korrespondenten ähneln. Mit diesem Kollegen hatte ich mich bereits vor Weihnachten auseinander gesetzt und eigentlich hätten ihm die Argumente ausgehen müssen. Es handelt sich hierbei nämlich um Textpassagen, in denen nicht etwa geistiges Eigentum verbreitet wird, sondern historische Tatsachen und Politiker-Aussagen, die man überall nachlesen bzw. durch telefonische Nachfrage einholen kann. Nun gibt es natürlich nicht sehr viele Kollegen, die aus der Türkei berichten, so dass man sich schon mal ins Gehege geraten kann. Nun ja, klarer Fall von Platzhirschverhalten!

Da Platzhirsche naturbedingt und in der Regel auf andere Platzhirsche losgehen, habe ich eine kleine Schmunzelgeschichte nicht aus der Hirsch- aber doch aus der Tierwelt, die sich zugetragen hat, als ich am Neujahrsmorgen meinen Spaziergang bei strahlend blauem Himmel am Strand unternahm.

Eine Gruppe Männer führte zwei männliche Kamele (haben männliche Kamele eigentlich einen eigenen Namen, so wie Hirsche etwa?) zum Strand. Während das eine Kamel bereits das Maul voller Schaum hatte und unruhig hin und her tänzelte sowie furchterregende Laute von sich gab, war das andere ganz ruhig und desinteressiert. Wesentlich aufgeregter dagegen waren die menschlichen Männer, die sich in Windeseile dort versammelt hatten und als sich mein Verdacht bestätigte, dass es sich hier um einen Kamel-Kampf handeln musste, auf den gewettet wurde, blieb ich stehen und sah dem Schauspiel aus respektvoller Entfernung zu. Der Platzhirsch der Kamele hatte offensichtlich sein Pulver vor dem Kampf bereits auf die Weise verschossen, für die oft ein Überschuss an Testosteron verantwortlich ist, durch unsinnig aufgeregtes Aufgeplustere. Das Ergebnis war, dass ihm im entscheidenden Moment nicht nur die Kraft oder auch die Konzentration fehlte, sondern dass er sich von der Ruhe seines Gegners anstecken ließ. Anstelle eines Kampfes kam nicht mehr als ein spielerisches Geplänkel zustande und nach kurzer, wirklich sehr kurzer Zeit bereits standen die beiden friedlich aneinander angelehnt da und das Schreien und Brüllen derer, die auf den Sieger gewettet hatten, blieb vollkommen unwirksam! Ich freute mich diebisch für die Tiere sowie über die Enttäuschung der Antreiber und Wettwütigen und machte mich gut gelaunt auf den Heimweg.



Warum ich das hier erzähle? Weil mich dieses anschauliche Beispiel darauf brachte, mir doch noch etwas in diesem noch jungen Jahr vorzunehmen: Angriffslustigen Platzhirschen mit noch mehr Ruhe und Gelassenheit zu begegnen, als bisher. Nicht, um sie damit in die Flucht zu schlagen, sondern einfach nur aus dem Konzept zu bringen. Danke, Herr Kamel! Das wird ein schönes Jahr...