Zugegeben, ich hätte auch einen weniger dramatischen Titel wählen können. Aber ich weine, jawohl, und mit mir sicherlich Millionen von anderen Müttern, ob in Ländern, in denen Hungersnot, Krieg und Elend herrscht oder in den sogenannten entwickelten Ländern, die sich durch ihren Wohlstands- und Überlegenheitswahn der Gefahr aussetzen, sich durch Atomkraft selbst zu vernichten.
Gestatten Sie mir einen Rückblick in die 1980-er Jahre in Frankfurt am Main. Als völlig unbeschriebenes Blatt und ehemalige Klosterschülerin kam ich in diese Stadt. Nach einem Praktikum bei einer katholischen Wochenzeitung und einem Ausflug in die Werbung geriet ich in die damalige Musik-/Hippie-/Polit-Szene. So kann man das heute sagen, denn damals waren das keine getrennten Gebiete, sondern in der Nachbetrachtung war das Eine ohne das Andere nicht denkbar. Wenn MAMA-Concerts zu Rock-Konzerten rief, Horst Lippmann und Fritz Rau zu Jazz – dann war das auch immer irgendwie politisch. Für die 68-er Aufstände war ich noch zu jung, aber das was danach kam, habe ich näher als mir lieb sein konnte, miterlebt. Als die Frankfurter Grünen ernst machten und ihre ersten Erfolge verbuchten, war das nicht nur ein Erfolg auf politischer Ebene, sondern es war vorerst auch ein Etappen-Sieg der „Szene“. Wieso ich das erzähle? Es beschreibt in aller Kürze und mit vielen Lücken die Atmosphäre, in der wir versuchten, erwachsen zu werden und es beschreibt auch, dass wir uns zwar amüsierten, aber immer auch den Zustand der Gesellschaft im Auge hatten und somit die Politik einen erheblichen Teil unseres jungen Lebens ausmachte.
Als wir etwa Mitte Zwanzig bis 30 waren, in WGs wohnten und uns somit frei gewählte familiäre Verhältnisse auf Zeit schufen, warf uns so mancher „Bürgerliche“ vor, wir seien A-sozial und drückten uns vor der Verantwortung, weil wir keinerlei Ambitionen zeigten , Familien zu gründen und Kinder in die Welt zu setzen. Es war müßig zu erklären, dass wir nicht die Spaßgesellschaft gründen wollten, sondern dass wir schlichtweg Angst hatten. Nicht Angst vor der Verantwortung, sondern davor, dass man uns ja gar nicht wirklich in die Verantwortung nehmen würde. Wieso? Weil uns da schon längst klar geworden war, dass die Rebellion, die Verweigerung, die mühselige Aufklärungsarbeit eigentlich nicht mehr war, als eine Beschäftigungstherapie. Auch wenn Joschka Fischer dann mit Turnschuhen in den Hessischen Landtag einmarschierte, waren die Karten ja schon längst woanders gemischt und gelegt. Und um jetzt nicht völlig abzuschweifen, die Atompolitik weltweit, aber auch die Deutschlands war für mich persönlich ein äußerst empfindlicher Punkt und ich hatte immer genau davor Angst, was seinerzeit in Tschernobyl und in diesen Tagen in Japan bittere Realität wurde. Eine Realität, vor der sich heute viele Menschen verwundert die Augen reiben, weil sie diese für „unvorstellbar“ hielten. Unvorstellbar? Wieso konnten wir uns das immer vorstellen? Und wenn Sie mich fragen, ist das nur der Anfang! Man braucht auch keine blühende Phantasie oder eine besondere Intelligenz um sich vorstellen zu können, was uns noch erwartet. Und da sollen wir nicht um unsere Kinder, um alle Kinder dieser Welt, weinen?
Inzwischen bin ich Mutter und das schon seit fast 18 Jahren. Fragen Sie nicht, warum ich mich dann doch dazu entschlossen habe. Dazu müsste ich wieder eine Geschichte erzählen, die Sie mit Sicherheit jetzt nicht lesen wollen. Ich konnte mein Kind vor vielem beschützen, es auf die Zukunft vorbereiten. Wenn unsere Kinder aber heute fragen, ob sie denn überhaupt noch eine Zukunft haben? Haben wir darauf eine geeignete Antwort? Oh, ich kenne die Argumente, die da lauten: es könnte uns auch heute noch ein Stein auf den Kopf fallen! Aber ich muss ja nicht den Sonntagsspaziergang in einer Steinschlag-Gegend absolvieren, und wenn doch, dann wenigstens mit Helm!
Vor einer nuklearen Katastrophe aber, durch die die Atmosphäre, einfacher gesagt – die Luft, die wir einatmen - kontaminiert wird, kann ich mich nicht schützen - weder mit Helm noch mit Gasmaske. Da dürfen wir uns fühlen wie die Kakerlaken, die durch den Kammerjäger ausgeräuchert werden. Und vielleicht kann sich ja der eine oder andere Leser vorstellen, wie ohnmächtig man ist, wenn man schon lange vorher solche Szenarien vor seinem geistigen Auge gesehen hat, die damals schon und noch vor Kurzem belächelt wurden! Ich konnte und werde es nie begreifen, dass es tatsächlich Menschen gibt, die noch immer nicht verstanden haben, welch eine unkalkulierbare Gefahr von einem AKW ausgeht. Und wie viele solcher Kraftwerke haben wir weltweit? Fortschrittsglauben in allen Ehren, aber so naiv und dumm oder ignorant kann doch eigentlich niemand sein, dass er sich nicht mit den Risiken auseinandersetzen will und in Deutschland Laufzeitverlängerungen in der Mehrheit noch immer gut heißt, obwohl wir an einem Zeitpunkt angekommen sind, an dem die ersten Atomkraftwerke a) überaltert sind und b) sich alternative Energien bewährt haben. Welcher der verantwortlichen Politiker kann spätestens jetzt von sich behaupten, er habe seinen Job gut gemacht, ohne sich wenigstens vor sich selbst zu schämen? Wer heute noch immer vom sauberen und günstigen Atomstrom spricht, sollte sich einmal die Zahlen anschauen. Bisher bezahlte der Deutsche Staat alleine an Subventionen für die Kernenergie etwa 170 Milliarden Euro. Und sauber? Da ist ja wohl kein Kommentar nötig!
An dieser Stelle richte ich einen Appell an den gesunden Menschenverstand und wenn es sein muss, von mir auch aus an den Erhaltungswillen unserer Art. Dabei meine ich nicht den Willen zur Fortpflanzung, sondern den Erhalt des aufrechten Gangs, des kritischen Geistes, der sich nicht von Politkarrieren und Machtphantasien korrumpieren lässt, sondern sich immer ein gesundes Maß an natürlicher Intelligenz dafür bewahrt, auch einmal hinterfragen zu können. Kinder können das und bringen uns damit oft genug in Verlegenheit!
Christine Keiner
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