Sonntag, 5. Dezember 2010

Wer hat Angst vor Wikileaks?


Was eigentlich heisst “Wiki”…? Wiki soll von dem hawaiischen Wort WIKLwiki stammen und “schnell” bedeuten. Leaks bedeutet “Löcher”, also bedeutet WIKILEAKS “schnelle Löcher”…?

Dann stelle ich jetzt meine Frage noch einmal und die lautet dann so: “wer hat Angst vor schnellen Löchern?” Bei dem Versuch, mir die Frage selbst zu beantworten fallen mir als erste diejenigen ein, die sich jetzt erst einmal mit der Schadensbegrenzung befassen müssen, und das sind die Diplomaten. Denn Diplomaten sollen diplomatisch mit ihrem Gegenüber umgehen, doch was da in den offenbar nicht sehr geheimen Geheimdokumenten zu lesen war, war eben nicht nur sehr undiplomatisch, sondern streckenweise peinlich. Peinlich für diejenigen, die ihre Einschätzung niederschrieben und ebenso peinlich für diejenigen, die es betraf. Kein neues Watergate wurde der Welt beschert und der amerikanische Präsident und seine Außenministerin sind noch im Amt – und der deutsche Außenminister auch!

Warum nun ein Hacker wie Julian Assange mit Veröffentlichungen solcher Dokumente sich unter Umständen sein Leben ruiniert, wäre die nächste Frage. Ich kann nicht ganz an diese selbstlose Leidenschaft für Freiheit und Transparenz glauben. Wenn es denn doch so ist, alle Achtung! Ich persönlich jedenfalls habe großen Respekt vor derartig mutigen Idealisten.

Aber kehren wir zurück zu der Aufregung allerorten und dem, was eigentlich passiert ist. In erster Linie hat Wikileads dem Journalismus eins ausgewischt! Seitdem nämlich der investigative Journalismus weitgehend aus den Redaktionen der “Leitmedien” wegrationalisiert wurde und man mehr oder weniger Agentur-Texte bearbeitet und etwas ausgeschmückt der geneigten Leserschaft vorsetzt, seitdem jeder von jedem abschreibt, sogenannter Enthüllungs-Journalismus sich mehr mit den Unterhöschen von Britney Spears oder Lady Gaga beschäftigt und auf diese Weise eben mehr enthüllt als wirklich aufgedeckt wird, seitdem ist offenbar so etwas wie die schnellen Löcher von Wikileads notwendig geworden. Der angeblich etwas paranoide Julian Assange soll ja bei einem Gespräch mit dem Guardian die Gründe für seine Vision von Daten-Transparenz folgendermaßen erklärt haben: “Journalismus sollte mehr wie eine Wissenschaft sein. Fakten sollten so weit wie möglich nachprüfbar sein. Wenn Journalisten langfristig Glaubwürdigkeit für ihre Profession behalten möchten, müssen sie in diese Richtung gehen. Sie müssen mehr Respekt gegenüber ihren Lesern zeigen”.

Liegt der “leicht exzentrische und etwas paranoide” Assange damit etwa falsch? Ganz und gar nicht. Würden die etablierten Medien, die sogenannten “Leitmedien” ihre Arbeit besser machen, respektive dem Leser mehr Respekt entgegen bringen, indem sie ihn wirklich aufklären und zwar so, dass es keine Entschlüsselung einer Geheimsprache braucht, um auch zu verstehen, was sie schreiben, dann müssten diese Leitmedien sich nicht vor Bloggern oder gar um ihre Existenz fürchten. Und wo wir schon einmal dabei sind: dass in jedem guten oder schlechten Artikel über Julian Assange erwähnt wird, dass er exzentrisch und paranoid sei, nervt! Wer an seiner Stelle wäre nicht paranoid, denn schließlich wird er inzwischen von Interpol per Haftbefehl gesucht.

Ob Assange Menschen tatsächlich in Gefahr gebracht hat, wissen wir (noch) nicht. Wie auch immer die Zukunft von Wikeleads und seinem Gründer Julian Assange aussieht, eines jedenfalls ist sicher, er hat eine Organisation auf die Beine gestellt, die die Welt der Medien und der Politik vielleicht nicht wirklich auf den Kopf gestellt, aber doch viele neue Fragen aufgeworfen hat. Dass man ihn jetzt wegen Vergewaltigung, bzw. Belästigung in Schweden vor Gericht stellen will, gibt Vermutungen der verschiedensten Art jede Menge Futter.

Eines jedenfalls kann man ihm und seinen Helfern nicht nachsagen, dass sie schlampig gearbeitet hätten. Von den mittlerweile Zehntausenden Dokumenten zu Kriegen, Bankenskandalen und Terrorregimes, die in seiner Datenbank liegen, hat sich bisher noch kein einziges als unecht erwiesen. Dass Wikileads nun auch von Geldsorgen geplagt ist, ist ein Problem, mit dem auch etablierte und nicht etablierte Medien zu kämpfen haben. Nur hat man ihnen nicht die Server und Paypal gesperrt. Wir dürfen jedenfalls gespannt sein, ob Assange und seine Leute einen Weg finden werden, um weiter machen zu können oder ob Wikileads bereits Geschichte ist.

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